Plötzlich ist Krieg. Nicht mehr „weit“ weg. Sondern gefühlt vor der eigenen Haustür. In Osteuropa. Nach zwei Jahren Pandemie hat uns beide diese Nachricht komplett überrollt. Uns sind noch die Flüchtlingsbilder von 2015 im Gedächtnis. Bilder, die sich damals schon eingebrannt haben. Das Bild des syrischen Jungen Alan Kurdi ging um die Welt. Ein dreijähriges Kind, ertrunken am Strand. In der Nähe von Bodrum. Uns beiden schießen die Tränen in die Augen, wenn wir dieses Bild sehen. Fassungslos sitzen wir als Mütter davor. Jetzt, 2022, kommen Kinder und Teenies am Berliner Hauptbahnhof an. Während wir diese Zeilen schreiben, sitzen wir an einem Kieler Strand, schauen aufs Meer, und finden kaum Worte für das, was gerade in der Welt passiert. Wir sprechen über Alan und über die ukrainischen Kinder. Wir fragen uns: was geht in diesen Kindern vor? Im Prinzip müssen sie von jetzt auf gleich erwachsen sein. Sie sind schutzlos. Schwärst traumatisiert. Niemand aus der Familie ist da, der sie in den Arm nimmt. Und was passiert mit diesen Kindern? Werden sie ihre Eltern und ihre Heimat jemals wiedersehen? Wie kann es sein, dass Menschen anderen Menschen das antun? Wir denken an die Mütter, Väter, Familien, Senior*innen, Männer, Frauen, Kinder, Babys. An die Menschen in den Krankenhäusern. An die Schwangeren, die unter Bombenhagel entbinden. An die Schwangere, die den Anschlag erst überlebt hat, dann aber unter der Geburt verstorben ist. Auch dieses Bild ging um die Welt. Uns kommt vieles, was wir tun, gerade nebensächlich vor. Und wir stellen uns auch die Frage: ist es okay, wenn wir selbst im Augenblick glücklich sind? Dürfen wir uns so richtig freuen und den Familienalltag so weiterleben? Wir fühlen uns machtlos – wir haben zwar gespendet und gesammelt, aber das fühlt sich an wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und das ist er wohl auch.
Wie geht man mit der aktuellen Situation um
Inzwischen wünsche ich, Kerstin, meinen Mitmenschen kein schönes, sondern ein friedliches Wochenende. Alles andere fühlt sich für mich falsch an. Doro und ich fragen uns immer wieder: wie können wir unseren Kindern Sicherheit geben, wenn die Welt aus den Fugen geraten ist? Wie gehen wir mit ihren Fragen, Ängsten, Sorgen um? Es ist eine Gratwanderung zwischen Ehrlichkeit zu unseren Kindern, eigenen Ängsten und der Frage, was wir überhaupt sagen können. Wir versuchen sie zu schützen, machen gerade bei unseren Kleinen die Nachrichten aus. Wir zeigen keine TV- oder Internet-Bilder. Wir machen das Radio aus, wenn die Nachrichten zu krass sind.
Die ersten beiden Tage habe ich, Doro, gar nichts über den Krieg gesagt. Ich war mir nicht sicher, wie ich anfangen soll, ohne meine Kinder zu ängstigen. Dabei gehe ich mit meinen Kindern immer ehrlich um – dieses Mal fehlten mir am Anfang die Worte. War das richtig? Mein Schulkind kam dann nach Hause und erzählte mir dann von den Müttern und Babys, die jetzt im Bunker sind und dass da ein „böser Mann“ Krieg führt. Auch mein Kitakind wusste Bescheid, dass Krieg ist. Ich habe dann erzählt, Antworten gegeben – immer in einem kindgerechten Rahmen und mit der Sorge: sind das jetzt die richtigen Worte?
Bei mir, Kerstin, war das Thema Krieg von Anfang an auf dem Familientisch. Die Angst ist groß, gerade auch bei den Kleinen. Vor allem davor, dass eine Atomrakete fallen wird. Denn solche Gerüchte gehen in der Schule rum. Mein zehnjähriger Sohn kam nach Hause, weil die Luftwaffe um das Haus seines Freundes flog. Das hat ihm solche Angst gemacht, dass er zu mir wollte. Das hat mir gezeigt, wie es innerlich in ihm aussah!