Kerstin Lüking, Hebamme und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)
Auch ich, Kerstin, kenne diese Situationen, in denen man sich am Morgen in einem Wechselbad der Gefühle wiederfindet. Ich erinnere mich bis heute noch sehr genau an eine Situation, die ich mit meiner ältesten Tochter erlebt habe. Ich stand damals unter Druck. Ich musste und wollte damals mein Examen als Hebamme in der Tasche haben, dazu musste meine Tochter aber regelmäßig und auch eine lange Zeit des Tages in die Kita gehen. Lea stand jeden Morgen tränenüberströmt an der Fensterscheibe, um mir nachzuschauen, wenn ich meinen Gang zur S-Bahn antrat. In dieser überkam es mich regelmäßig! Denn auch dort liefen nun mir Tränen über das Gesicht und ständig stellte ich mich in meiner Rolle als Mutter selbst in Frage: Bin ich schlecht, wenn ich mein Kind abgebe?
Rückblickend kann ich heute selbstbewusst sagen: Nein, ich bin bis heute keine schlechte Mutter gewesen. Nie! Durch meinen Beruf konnte ich meine Kinder ernähren, sie einkleiden und mit ihnen in den Urlaub fahren. Und alle Anschuldigungen, die ich in den letzten 27 Jahren als Mutter erleben musste, würde ich heute galant verbal an mir abprallen lassen. Wie oft musste auch ich mir die Sprüche anhören:
„Du bist doch keine Mutter geworden, um deine Kinder fremd betreuen zu lassen! So etwas würde es bei mir nicht geben!!!“ Ganz ehrlich, ich bereue es in keiner Minute, meine Kinder relativ früh im Kindergarten angemeldet zu haben. Mein eigenes „Dorf“ bestand damals nur aus meiner Mutter, die selbst noch berufstätig war und mich nicht ständig unterstützen konnte. Mit durchschnittlich acht Monaten habe ich meine Kinder in der Krippe abgegeben und sie einen gewissen Anteil des Tages von Frauen betreuen lassen, die in der Regel mit Herzblut bei den Kindern waren.
Ich erinnere mich an Erzieherinnen, die mit Küsschen und Umarmungen meiner Kinder begrüßt wurden. Ich hatte deswegen keine schlechten Gefühle, da es für mich immer ein Zeichen von Vertrauen und Wohlbefinden meiner Kinder war. Ich wurde genauso stürmisch und liebevoll begrüßt, wenn ich nachmittags zur Tür hereinkam. Ich habe gesehen, mit wie viel Liebe die Erzieherinnen sich um alle Kinder gekümmert haben. Morgens Lieder mit der Gitarre anzustimmen, wäre mir als Mutter nie in den Sinn gekommen, mal abgesehen davon, dass ich überhaupt keine Gitarre spiele! Ich habe gesehen, dass sich meine Kinder sehr viel schneller motorisch, sprachlich und zudem auch in der Sozialkompetenz entwickelt haben, was ich immer als großen Vorteil zu Gleichaltrigen gesehen habe, die in den ersten Jahren zu Hause betreut wurden. Ich will damit keiner Mutter und keinem Vater die Kompetenz absprechen, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen – ich möchte einfach nur Mut machen, gewisse Zweifel einfach mal ad acta zu legen und sich freizumachen von allen auferlegten „Verhaltensregeln von guten Müttern“.
Wenn wir heute den Anspruch an eine fortschrittliche Gesellschaft haben, gehört es dazu, dass wir Müttern gewisse Freiräume lassen, sie in dem Punkt stärken, dass eigenes Geld wichtig ist und sie unterstützen, wenn sie in der Kinderbetreuung entlastet werden müssen, damit das Nervenkostüm nicht dünnhäutig wird und die eigene Gesundheit darunter leidet.
Auf Spurensuche: Was steckt dahinter?
Ich plädiere aber auch genauso dafür, die Zwischentöne unserer Kinder ernst zu nehmen. Wenn sich mein Kind partout mit Händen und Füßen wehrt, die Tür zu durchschreiten, muss ich hinterfragen, was der Grund dafür sein könnte.
Auch das habe ich bei einem meiner Kinder erlebt. Herausgefunden hatte ich es dadurch, dass ich einen meiner Söhne früher als gewöhnlich abgeholt hatte. Schon von Weitem kam mir die Kinderstimme bekannt vor, die verzweifelt weinend auf dem Flur zu hören war. Es war mein Kind, das von der Erzieherin ausgegrenzt wurde. Mein Sohn war ihr einfach auf ihre „alten Tage“ zu anstrengend gewesen, was ein grundsätzliches Problem dieser Frau war und nichts mit meinem Kind zu tun hatte. Die Lösung war ein sofortiger Wechsel in eine andere Kita, was sich als totaler Glücksfall entpuppte.
Es gab am Morgen keine Tränen mehr. Mein Sohn wirkte plötzlich erleichtert und unbeschwert. Natürlich ist das nicht immer einfach, sofort einen Ersatz-Kindergarten zu finden, dennoch lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Denn eigentlich wollen wir Eltern nur eins, nämlich dass unsere Kinder unbeschwert und mit viel Liebe heranwachsen dürfen.
Worte, die auch Nicola Schmidt unterstreicht. Sie sagt, Zitat:
„Wenn es dem Kind in der Betreuung nicht gut geht, ist das keine Lappalie. Wir müssen dann gemeinsam mit dem Personal überlegen was wir tun können und bei unüberbrückbaren Differenzen oder unveränderlichen Rahmenbedingungen auch in Betracht ziehen, die Kita zu wechseln. Die Zeit in der Betreuung prägt unsere Kinder ja sehr, es ist ein großer Teil ihrer Kindheit, und es lohnt sich, hier Zeit und Energie zu investieren.“ Nicola greift in ihren Büchern "Der Elternkompass" und „artgerecht – das andere Kleinkinderbuch“ übrigens auch das wichtige Kita-Thema auf. Und wer ganz nah an Nicola dran sein will, der folgt ihr am Besten auf Instagram oder Facebook. Lieben Dank dir, liebe Nicola!