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MutterKutter
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Ernährung bei Babys

Stillen, Füttern und Stillpositionen

Wer könnte bessere Einleitungsworte zum Thema „Stillen“ geben als unsere MutterKutter-Gastautorin Franziska-Beatrice Fiedler. Franziska ist Stillberaterin, Gründerin des BFB Instituts für bindungsorientierte Familienbegleitung und Influencerin. Unter @mami.hat.recht verbloggt sie auf Instagram nicht nur ihre tollen Still- und Beikost-Tipps – dort hat sie auch ihre reichweitenstarke Stimme für die Rechte unserer Kinder gefunden. Kein Wunder, denn Franziska ist auch Anwältin!



Liebe (Bald-)Eltern,
ab dem Zeitpunkt, in dem man eine Schwangerschaft verkündet, prasseln von überall her Tipps und Ratschläge auf einen ein. Lassen Sie sich nicht zu sehr davon stressen. Als Stillberaterin kann ich nur sagen: Das Stillen kann ein toller Ruhepol für die erste Zeit mit Baby sein. Der Partner oder die Partnerin der frisch gebackenen Mama ist für die erste Zeit unglaublich wichtig. Er oder sie kann quasi alles übernehmen, was anfällt, um Mutter und Kind zu versorgen. Daher: Halten Sie zusammen. Bereiten Sie sich nicht nur auf die Geburt, sondern auch auf die erste Zeit mit dem Baby vor, und wenn Sie gestärkt in diese Phase gehen, dann kann das sehr entspannt ablaufen. Wenn das Stillen Schwierigkeiten bereiten sollte, gibt es eine ganze Reihe an kompetenter Hilfe von Menschen, die gerne für Sie da sind.“
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Nicht jeder kann oder möchte stillen

Hilfe zum Thema Stillen möchten wir Ihnen jetzt auch an die Hand geben. Ich, Doro, habe ein paar Fragen zum Thema vorbereitet, die mir unter den Nägeln brannten. Ich selbst war damals überrascht davon, was der Körper leisten kann. Wie oft habe ich gedacht: „Wow, ich ernähre mein Baby. Wahnsinn!“ Das Stillen hat mir ein Vertrauen in mich und meinen Körper zurückgegeben. Das war total toll! Dennoch finde ich es wichtig zu betonen, dass wir Liebe nicht nur durchs Stillen geben können, sondern genauso gut mit dem Fläschchen. Denn nicht jede Mutter kann oder will stillen.

Doro und Kerstin von MutterKutter

Doro und Kerstin, unsere Expertinnen von MutterKutter (© Anne Seliger)

Ich kannte meine Freundin und MutterKutter-Kollegin Kerstin Lüking damals noch nicht. Sie ist Hebamme und siebenfache Mutter. Kerstin hat über 4.000 Familien in ihrer über 20jährigen Arbeit als Hebamme betreut. Und ich kann nur sagen: Ich hätte mir eine Kerstin damals an meiner Seite gewünscht! Umso mehr freue ich mich, dass Sie Ihnen jetzt die wichtigsten Fragen zum Stillen beantwortet. Wir hoffen, dass wir Ihnen damit Wissen und erste Hilfe an die Hand geben können.

Liebe Kerstin, es wabert ja immer dieser Satz durch den Raum "Stillen ist Liebe" – PUH! Ich finde den gegenüber allen Eltern, die das Fläschchen geben, echt doof. Was denkst du?

Ich finde diesen Satz maximal abgedroschen und möchte ihn eigentlich nirgendwo mehr lesen. Denn Eltern, die sich für die Flasche entschieden haben, bzw. vielleicht auch mussten, Adoptiveltern, gleichgeschlechtliche Eltern etc. sind deswegen keine schlechteren Eltern mit weniger Liebe für ihr Kind.

Eigentlich möchte ich auch, dass wir diese Entscheidung einfach den Eltern überlassen und völlig wertfrei dabei bleiben. Unsere Betreuung sollte deswegen nicht schlechter ausfallen, nur weil wir als Fachkräfte der Meinung sind, dass die Frau zu stillen hat, weil es natürlich das Beste für das Kind ist. Natürlich ist es wichtig darauf hinzuweisen, aber bitte ohne den dogmatischen Zeigefinger hervorzuholen. Ich verstehe es nur zu gut, wenn Frauen das Handtuch einfach hinschmeißen wollen. Wenn die Tränen vor lauter Schmerzen rollen und die Frau sich hinterfragt, ob das Stillen nun wirklich die Erfüllung in ihrem Leben schlechthin ist. Wichtig ist dann immer im Gespräch mit den Eltern zu bleiben, Mut zu machen, diverse Lösungen für Probleme anzubieten, die aber auch oft ein wenig Zeit brauchen, um zu greifen.

Wie funktioniert Stillen eigentlich genau? Wie macht unser Körper das?

Stillen ist ein Hormongeschäft, deswegen sind Stilltees und Co. zwar gut gemeinte Helferlein, sie können im Zweifelsfall aber nicht großartig etwas ausrichten. Entscheidend beim Stillen sind die Hormone Prolaktin, was das Milchbildungshormon ist und das Oxytocin, was vielleicht einigen auch als Bindungs- oder Liebeshormon bekannt ist. Dieses sorgt dafür, dass die Milch aus der Brust freigegeben wird.

Hormone, davon können wir Frauen ja ein Lied von singen, sind leider sehr störanfällig. Sie reagieren u.a. recht “Diven-like“ auf Stress und arbeiten dann nicht mehr so, wie sie es eigentlich sollen. Ein Gegenspieler des Oxytocins ist u.a. das Adrenalin. Hat eine meiner Wöchnerinnen (also eine Frau in den ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt) einfach zu viel um die Ohren, blockiert Adrenalin das Hormon Oxytocin. Dieses wiederum führt dann dazu, dass zwar Milch gebildet, der Weg aus der Brust aber nicht freigegeben wird. Als Ergebnis haben wir dann den klassischen Milchstau, der oft mit starken Schmerzen, einer geröteten Brust und auch Unwohlsein einhergeht. Der Klassiker also, auf den ich gleich noch einmal genauer eingehen werde.

Wie ist die erste Milch und die danach zusammengesetzt, so dass das Baby auch alles bekommt, was es braucht?

Die Milch ist wirklich wie ein Maßanzug zu werten, die fürs Baby hergestellt wird. Die Zusammensetzung verändert sich nämlich in den verschiedenen Lebens- bzw. Entwicklungsphasen des Babys. Die Anfangsmilch, das gelblich-sahnige Kolostrum, hat eine sehr hohe Konzentration an Immunglobulinen und Nährstoffen. Die Immunglobuline sind hier das Stichwort, da sie dafür sorgen, dass das Baby vor Krankheiten geschützt wird. Mit den voranschreitenden Lebenstagen und Wochen passen sich dann auch die Proteine, Kohlenhydrate und Fette den Bedürfnissen des Kindes an. Das heißt genauer, dass die Proteine sinken und die Kohlenhydrate und Fette steigen. Dieses Austarieren macht der mütterliche Körper von alleine und kann nicht auf „Knopfdruck“ gesteuert werden. Also, wir Frauen sind doch wirklich wahre Wunderwerke der Natur, oder?

Wie gelingt ein guter Stillstart? Worauf sollte ich achten?

Ich habe immer gedacht, dass Stillen etwas ist, was von Natur aus geht, weil es natürlich ist. Hm. War aber nicht so. Mein Anfang war sehr holprig, ich oft verzweifelt. Ich habe mir Druck gemacht – welchen Rat hast du für so eine Situation? Und warum ist Stillen nicht immer einfach?

Du hast dir die Antwort eigentlich schon selbst gegeben, indem du nämlich beschreibst, dass du dir Druck gemacht hast. Ich erinnere noch einmal an meine oben gegebene Antwort. Stress ist ein maßgeblicher Faktor, der das ganze Still-Geschäft schwierig macht. Wenn dazu dann noch eine falsche Anlegetechnik “on top“ kommt, hat die Frau ein riesiges Problem.

Ich bin eine große Freundin davon, den Frauen noch einmal zu verdeutlichen, dass das Wochenbett nicht umsonst Wochenbett heißt. Wir müssen alle verstehen, dass eine Geburt in den seltensten Fällen ein Spaziergang, sondern eine Hochleistung des eigenen Körpers ist, dem man eine Pause zur Generation gestatten muss. Um diese Pause knallhart durchzuziehen, benötigt man aber in der Regel ein Netzwerk, das einen dabei unterstützt. Ist kein Netzwerk vorhanden, gibt es die Möglichkeiten, auch mit Unterstützung der Hebamme und Gynäkologin, sich Hilfe von extern verordnen zu lassen. Ich meine damit die klassische Haushaltshilfe, die einem entweder verordnet oder die man sich durch ehrenamtliche Organisationen organisieren kann. Dazu sollte immer noch eine Hebamme oder Stillberaterin unterstützend zur Seite stehen, um bei Stillschwierigkeiten Lösungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Das kann z.B. einfach nur eine Korrektur der Anlegetechnik sein oder die Überprüfung, ob das Zungenbändchen des Kindes zu kurz sein könnte. In diesem Fall würde die Hebamme die Frau an den zuständigen Facharzt überweisen. Die Bandbreite der Ursachen ist sehr groß und würde hier den Rahmen sprengen. Ich behaupte aber einfach mal, dass es in der Regel für jedes Problem eine Lösung gibt, die der Frau durch eine entsprechende Fachperson an die Hand gegeben werden kann.

Dorothee Dahinden, Mutter und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)


Oft werden in der Klinik ja – so ging es auch mir und meinen Freundinnen – Stillhütchen "verabreicht". Mein Eindruck damals: Die Mitarbeiterinnen hatten kaum Zeit für eine Stillberatung (kein Vorwurf) und so sollte es einfacher gehen. Tat es bei mir aber nicht. Das Stillhütchen fand ich furchtbar und es war ein langer Weg dahin, es wegzulassen. Wozu rätst du in solchen Fällen? Denn dass ich auch ohne Stillen kann, das hat mir mein Körper gezeigt. Wann sind Stillhütchen sinnvoll?

Naja, ich will hier mal nicht dem Stillhütchen pauschal den schwarzen Peter hinschieben. Ich habe genug Frauen betreut, die es als wahren Segen empfunden haben, es benutzen zu dürfen. Ich verstehe aber, dass du diesen Eindruck von der Klinik hattest. Zeitmangel bei Beratungen sind in den seltensten Fällen zielführend und das Stillhütchen ist schon ein erklärungswürdiges Produkt und sollte nicht einfach wie eine Kamelle aus der Bonbontüte verteilt werden. Es fängt nämlich oft schon damit an, dass in Kliniken nur die Standardgröße ausgegeben wird. Diese ist nun aber nicht für jede Frau und Brustwarze geeignet. Die Natur hat uns nun mal mit verschiedenen Größen und Formen der Brust und ihren dazugehörigen Brustwarzen gesegnet, so dass dort der Blick als allererstes hingehen sollte. Habe ich nämlich die falsche Größe auf den Nachttisch gelegt bekommen, kann das Hütchen bei der Benutzung extrem am Übergang vom Warzenvorhof zur Warze “scheuern“, was wunde Stellen verursacht und den Zustand eher verschlimmert.

Vor dem Gebrauch wird das Hütchen auch etwas aufgezogen und erst dann aufgesetzt. Der Mutter muss erklärt werden, in welche Richtungen eventuell vorhandene Aussparungen des Hütchens zeigen müssen. Dazu gibt es auch noch diverse hygienische Tipps, die die Mutter bei der Benutzung beachten sollte. Nämlich die fachgerechte Reinigung nach jedem Gebrauch.

Welche Stillpositionen gibt es? Welche findest du gut?

Wir brauchen diesbezüglich eigentlich nur noch die Google-Maschinerie anwerfen, die uns abertausende von Bildern ausspuckt, wie die der Fußballer- oder Wiege-Position. Dazu gibt es noch das Stillen im Liegen in Seitenlage, Stillen gegen die Schwerkraft in der Bauch-auf-Bauch-Position und ich kann mir auch mein Baby kopfüber über die Schulter legen, was aber keiner macht. Wir machen ja auch nur ungerne einen Kopfstand beim Trinken! Ich selber mochte immer gerne die Position im Liegen und die Fußballerhaltung. Diese heißt so, weil das Baby wie ein Fußball unter einen Arm “geklemmt“ wird. Die Beinchen liegen dabei nach hinten, zum Rücken der Mutter, gerichtet. Diese Position ist praktisch, da die Stillende immer einen Arm frei hat und somit beim Stillen auch mal ein Butterbrot essen oder ein Buch halten kann.


BabyStillen

Brauchen wir überhaupt solche Positionen: Ich erinnere mich noch, dass ich später auch mal mit Baby an der Brust mir ein Glas Wasser geholt habe...

Naja, es ist sicherlich nicht verkehrt, dass wir sie haben. Denn sie geben immerhin eine Orientierung, wie das alles funktionieren kann. Ich erlebe aber auch Mütter, denen das alles total egal ist und die ihre Kinder einfach anlegen und fertig ist es. Jeder nach seiner Vorliebe. Hauptsache Mutter und Kind sind zufrieden.

Andersrum: Wieviel Ruhe brauchen wir am Anfang?

Ganz klar: ganz viel Ruhe. Ich verstehe auch die Frauen, die gleich wieder loslegen wollen, weil sie nun einfach der Typ dafür sind. Dennoch sollte man wenigstens zwei bis drei Wochen immer wieder Pausen einlegen, bevor der Körper sich mit Schmerzen, Fieber und Entzündungen das fordert, was er braucht.

Und ich weiß noch, dass mir damals von einer Hebamme gesagt wurde: Ich habe exakt alle vier Stunden gestillt. Hm. Fand ich doof. Ich esse ja selbst auch, wenn ich Hunger habe. Wie siehst du das? Ich war Team "Stillen nach Bedarf" – und du?

Auf jeden Fall Stillen nach Bedarf. Das kann natürlich anstrengend und besonders dann schwierig sein, wenn Personen von außen immer noch ungefragt ihren Senf dazugeben wollen und die Häufigkeit des Stillens in Frage stellen. Aber die Tatsache, dass Stillen ein “Geschäft“ aus Angebot und Nachfrage ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Fakt ist auch, dass gerade, wenn am Anfang regelmäßig und häufig gestillt wird, sehr viele Prolaktin-Rezeptoren besetzt werden, die eine lange Stillzeit mit ausreichender Milchbildung ermöglichen.

Woran erkenne ich eine Brustentzündung? Was sollte ich dann tun?

Symptome sind hohes Fieber, Schmerzen, eine auftretende Rötung oder Verhärtungen. Das sind die Hauptmerkmale. Und zwar oft innerhalb kürzester Zeit. Es können noch Gliederschmerzen und Grippesymptome dazukommen. Auf jeden Fall muss die Frau ins Bett und Ruhe halten. Es müssen Entzündungshemmer und Schmerzmittel eingenommen werden. Das Mittel der Wahl ist eigentlich immer Ibuprofen. 1600 mg/Tag dürfen davon eingenommen werden, ohne dass das Medikament in die Muttermilch übergeht. Vielen Frauen helfen kühlende Wickel, z.B. mit Retterspitz, die nach dem Stillen aufgelegt werden können.

Auf jeden Fall sollte die Brust regelmäßig entleert werden. Dabei wird der Unterkiefer des Kindes beim Stillen so positioniert, dass dieser auf die gestaute Stelle zeigt. Es kann auch möglich sein, dass die Milch nicht gut fließt und sich die Brust nur schwer entleeren lässt, was immer eher für eine Entzündung spricht. Im Unterkiefer hat das Baby übrigens die meiste Kraft und kann somit sehr gut diese Stelle entleeren. Sollte das Fieber und die Schmerzen nicht von innerhalb zwei Tagen rückläufig sein, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Es muss dann über die Gabe eines Antibiotikums entschieden werden. Denn im schlimmsten Fall bilden sich Abszesse, was extrem unangenehm ist. Die Symptome und die Therapie eines Milchstaus sind übrigens ähnlich.

In Social Media kritisieren Eltern oft, dass die Stillenden im Vordergrund stehen. Kannst du das nachempfinden?

Ja, das kann ich nachempfinden. Wir müssen uns einfach mal abgewöhnen, immer allem unsere Meinung aufzudrücken. Viel besser wäre es, wenn wir mehr hinhören, um die Beweggründe der Eltern, bzw. Mütter zu verstehen, um sie dann zu bestärken und zu sagen: Bitte zweifle nicht an dir, wenn du deine Entscheidung so für dich getroffen hast, ist sie auch gut so. Bleibe dann auch dabei und rechtfertige dich bitte nicht immer. Denn in diesen Modus verfallen viele Mütter und das haben die eigentlich überhaupt nicht nötig.


KerstinLueking

Kerstin Lüking, Hebamme und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)