Wilhelm Tell
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Wilhelm Tell neu erzählt von Barbara Kindermann
LESEPROBE
InAltdorf bewachten derweil zwei Soldaten den Hut, der immer noch auf der Stangehing. Alles war ruhig. Seit Gesslers Männer den Hut vor Tagen bei der Lindeaufgepflanzt hatten, war niemand vorbeigekommen, um sich davor zu verbeugen.Wir passen umsonst auf", murrte einer der Wachleute, es war doch früher stetswie Jahrmarkt hier und jetzt ist der Platz wie ausgestorben."
Tellund Walter hatten sich unterdessen dem Platz bei der Linde genähert. Walterbetrachtete forschend die umliegenden Bergspitzen und fragte dann neugierig:Vater, gibt es auch Länder, wo keine Berge sind?"
Abersicher", antwortete Tell lächelnd. Wennman hinuntersteigt von unseren Höhen, gelangt man in ein großes, ebenes Land "
Ei Vater!", unterbrach ihn da Walterlustig, sieh den Hut dort auf derStange!"
Was kümmert uns der Hut", meinte Tellgleichgültig.
Ernahm Walter bei der Hand und wollte weitergehen. Da stellte sich ihm einer derWachleute mit vorgehaltener Lanze in den Weg und befahl: In des Kaisers Namen, haltet an und steht!"
Tellschob den Speer zur Seite und fragte erstaunt: Was wollt Ihr? Warum haltet Ihr mich auf?"
Ihrhabt nicht, wie befohlen, den Hut gegrüßt", entgegnete der Wachmann.
Freund",versuchte Tell ihn zu beschwichtigen, lass mich gehen."
Niemals!",rief der Wachsoldat entschlossen. Fortins Gefängnis!"
Entsetztschrie Walter auf: Der Vater ins Gefängnis? Zu Hilfe! Gewalt!"
Durchdas Geschrei angelockt stürzten aus den umliegenden Häusern die Menschenherbei, darunter auch Tells Schwiegervater Walter Fürst.
Großvater!",rief Walter und rannte auf ihn zu. Hilf! Sie wollen den Vater einsperren, weiler den Hut nicht gegrüßt hat!"
UmHimmels willen, und dafür soll er ins Gefängnis?", entrüstete sich Walter Fürstund wandte sich an den Wachsoldaten: Freund, lass den Mann gehen ..."
Wirtun nur unsere Pflicht", entgegnete dieser schroff. Fort mit ihm!"
Nein!",rief da einer aus dem Volk empört, das ist sinnlose Gewalt! Lassen wir es zu,dass man ihn so frech vor unseren Augen wegführt? Niemals!"
Nimmermehr!",schrien ein paar andere empört. Schlagt sie nieder!"
Dochin diesem Moment erklangen Jagdhörner in der Nähe. Erschrocken fuhren dieMänner zusammen und riefen durcheinander: Das ist der Vogt! Wehe uns!"
Wenigspäter ritt Gessler mit großem Gefolge auf den Platz, seinen Falken auf derFaust.
Platz dem Landvogt!", brüllten die Wachenund alles verstummte. Gessler brachte sein Pferd zum Stehen und fragte denWachmann, der Tell gefangen hielt, streng: Wieso läuft das Volk zusammen? Warumhältst du diesen Mann?"
GestrengerHerr", antwortete der Wachsoldat unterwürfig, er hat Euren Befehl missachtetund sich nicht vor dem Hut verbeugt. Als ich ihn abführen wollte, versuchte dasVolk mich mit Gewalt daran zu hindern."
Gesslermusterte Tell: Wer bist du, dass du mich so verachtest und nicht gehorchst?"
Ichbin der Tell, lieber Herr", entgegnete dieser. Bitte verzeiht mir, es warnicht Verachtung oder Ungehorsam, ich war nur gedankenlos, es wird nicht wiedervorkommen."
Dubist der Tell?", fragte Gessler überrascht, ich hörte, du seist ein Meister auf der Armbrust."
Dadrängelte sich Walter vor und rief stolz: Das ist wahr, Herr! Den Apfel schießt der Vater dir vom Baum aufhundert Schritte!"
Ist das dein Knabe,Tell?",wollte Gessler wissen.Ja, lieber Herr."
Hastdu noch mehr Kinder?", hakte Gessler nach.
Ja,Herr", antwortete Tell, ich habe zwei Knaben."
Und welcher ists, den du am meistenliebst?"
Herr, beide sind mir gleich liebe Kinder",erwiderte Tell verwundert.
Dapflückte Gessler einen Apfel von einem Zweig, der über ihm hing, und sagtegebieterisch: Nun, Tell, beweise deine Kunst. Du wirst diesen Apfel vom Kopfdeines Knaben schießen. Doch ziele gut,denn wenn du verfehlst, ist euer beider Leben verloren."
Ungläubigrief Tell: Herr, welch Ungeheures kommt Euch in den Sinn! Mit meiner Armbrustsoll ich auf mein eigenes Kind zielen?Eher sterb ich!"
Duwirst den Apfel vom Kopf deines Sohnes schießen, ich will es!", befahl Gesslerbarsch. Und das Volk herrschte er an: Macht Platz! Öffnet eine Gasse! Achtzig Schritte gebe ich ihm, nicht wenigerund nicht mehr!"
Verzweifeltwarf sich nun Tells Schwiegervater Walter Fürst vor Gessler nieder und flehte: Herr, lasst Gnade vor Recht ergehen! Ich gebe Euch alles, was ich habe,doch bitte ich Euch, verlangt nicht diesen Schuss!"
Derkleine Walter trat zu ihm: Großvater,knie nicht vor dem falschen Mann!" Keck wandte er sich dem Landvogt zu:Herr Gessler, sagt, wo soll ich mich hinstellen. Ich fürchte mich nicht! Der Vater trifft den Vogel ja im Flug!"
Gesslerzeigte auf die Linde und befahl: Man binde ihn an diesen Baum dort!"
Michanbinden?", empörte sich Walter, nein, ich will nicht angebunden sein! Ich will stillhalten wie ein Lamm und auchnicht atmen."
Die Augen nur lass dirverbinden, Knabe", riet einer aus dem Volk.
Warum die Augen?", fragte Walterverwundert, denkt Ihr, ich fürchte denPfeil von Vaters Hand? Ich will nicht mit der Wimper zucken. Frisch, Vater,zeig ihm, dass du der beste Schütze bist: Schießund triff!"
Stolzmarschierte Walter zur Linde, wo ihm der Apfel auf den Kopf gelegt wurde. Tellspannte die Armbrust, legte einen Pfeil ein und zielte. Doch er ließ die Waffesogleich wieder sinken. Verzweifelt wandte er sich zu Gessler, riss sein Hemdauf und flehte: Herr Landvogt, hier istmein Herz, erlasst mir den Schuss!"
Ichwill nicht dein Leben, ich will den Schuss", erwiderte Gessler kalt.
Dagriff Tell plötzlich nach einem zweiten Pfeil und steckte ihn zu sich. Erneut hob er seine Armbrust. Über demPlatz lag eine unheimliche Spannung. Alles hielt den Atem an, als Tell zielte -dann drückte er ab.
Der Apfel ist gefallen! Der Knabe lebt!",rief Stauffacher erlöst.
DasVolk begann zu jubeln. Walter rannte mit dem Apfel auf Tell zu und jauchzte: Vater!Ich wusste ja, dass du mich nicht verletzen würdest!"
WährendTell ihn inbrünstig umarmte, musterte Gessler den Apfel und staunte: Bei Gott! Der Apfel ist mitten durchgeschossen! Es war ein Meisterschuss, ich muss ihn loben."Forschend sah er Tell an: Du stecktestnoch einen zweiten Pfeil zu dir, ich sah es wohl. Was meintest du damit?"
Tellsenkte den Kopf und antwortete: Herr, das ist so üblich bei den Schützen."
Nein, Tell", widersprach Gessler, die Antwort lasse ich dir nicht gelten.Sag mir die Wahrheit, frisch und fröhlich, was es auch sei, dein Leben sichereich dir zu."
Wohlan ..." Tell gab sich einen Ruck undsah den Landvogt mit einem furchtbaren Blick an: Mit diesem zweiten Pfeil durchschoss ich Euch, wenn ich mein liebesKind getroffen hätte. Und Euch hätte ich ganz sicher nicht verfehlt."
Gesslerzuckte zusammen. Dann sagte er langsam: Dein Leben habe ich dir zugesichert, ich gab mein Ritterwort, das will ichhalten. Doch lasse ich dich in den tiefsten Kerker werfen, damit ich vor deinenPfeilen sicher bin. Fesselt ihn!"
ImVolk brach Empörung aus. Walter klammerte sich an Tell: Vater! Lieber Vater!"Tell umarmte ihn innig, bevor er von den Waffenknechten abgeführt wurde.
©Kindermann
- Autor: Barbara Kindermann
- Altersempfehlung: Ab 7 Jahre
- 2004, 1., Aufl., 36 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kindermann
- ISBN-10: 3934029183
- ISBN-13: 9783934029187
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