Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4
Die Erben der Nacht
Mit Wiener Blut und Walzerklängen beginnt das vierte Jahr auf der Akademie der Vampire. Von überall her sind Vampire angereist.
Doch einer hat Böses vor: Dracula, gestürzter Vater aller Vampire. Sind die jungen Erben stark genug für das absolut Böse?
sofort lieferbar
Taschenbuch
13,40 €
-
30 Tage kostenlose Retoure
-
PayPal, Kauf auf Rechnung, Kreditkarte, Lastschrift
Produktdetails
Produktinformationen zu „Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4 “
Mit Wiener Blut und Walzerklängen beginnt das vierte Jahr auf der Akademie der Vampire. Von überall her sind Vampire angereist.
Doch einer hat Böses vor: Dracula, gestürzter Vater aller Vampire. Sind die jungen Erben stark genug für das absolut Böse?
Klappentext zu „Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4 “
Wiener Blut und Transsilvanische VerschwörungMit Wiener Blut und Walzerklängen beginnt das vierte Jahr auf der Akademie der Vampire. Aus ganz Europa sind die Erben der Nacht gekommen, um von den Dracas die Kunst des Gedankenlesens zu erlernen. Doch noch einer ist auf dunklen Schwingen nach Wien gereist: Dracula, gestürzter Vater aller Vampire. Mit Ivys Blut will er den Untergang seiner ungehorsamen Kinder besiegeln. Um Ivy zu retten, folgen die jungen Erben Dracula bis nach Transsilvanien. Doch sind sie stark genug für das absolut Böse?
"Die Erben der Nacht" ist schaurig-romantisches und zugleich actionreiches Drama um Intrigen, Liebe und Verrat voll wunderbar düsterer Schauplätze. Mireißender Schmökerstoff für alle Fans von Vampiren und dunkler Fantasy.
Lese-Probe zu „Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4 “
Die Erben der Nacht - Dracas von Ulrike Schweikert... mehr
Die nächsten Nächte verliefen ähnlich wie die vorhergegangenen. Die Erben waren mindestens bis Mitternacht sich selbst überlassen. Dann folgten Tanzunterricht, Fechtstunden und endloser Unterricht in Wienerisch, denen nur die Dracas und die Vamalia fernbleiben durften. Luciano versuchte vergeblich, sich ebenfalls zu drücken. Schließlich hatte er sich im vorherigen Jahr von Alisa bereits leidlich Deutsch beibringen lassen und langweilte sich nun mit den Anfängerübungen. Doch der altehrwürdige Dracas blieb in diesem Fall hart.
Alisas anfängliche Empörung wandelte sich in heftige Wut. »Wann lernen wir endlich Gedanken zu lesen und unsere geistigen Kräfte einzusetzen?«
Keiner konnte oder wollte ihr eine Antwort geben. »Sicher bald«, sagte Franz Leopold lahm. »Wenn ihr die anderen wichtigen Lektionen beherrscht.«
»Ach, so wichtige Dinge wie den wienerischen Dialekt, jeden einzelnen in den vergangenen Jahrhunderten getanzten Menuettschritt und sämtliche Huten, die sich irgendwelche verrückten Fechtmeister im Mittelalter ausgedacht haben?«
»Fechten ist nicht schlecht«, warf Luciano ein. »Es kann durchaus nützlich sein.«
Alisa fuhr herum und herrschte ihn an. »Ja, fechten ist ganz wunderbar, aber was tust du mit deinem alten Schwert in der Hand, wenn der Feind deinen Geist angreift?«
Sie funkelte ihn so wild an, dass Luciano mit erhobenen Handflächen zurückwich. »Ist ja gut. Du musst mich nicht gleich auffressen.«
»Wenn du mich um einen Rat gebeten hättest, dann hätte ich dir gesagt, dass es lebensgefährlich ist, Alisa in solch einer Stimmung zu widersprechen«, meinte Franz Leopold liebenswürdig. »Pass auf, jetzt faucht sie gleich wie ein Panther.«
Alisa fixierte ihn mit zornig zusammengekniffenen Augen, doch dann übermannte sie plötzlich ein Lachen. »Ach, hört schon auf. Aber ihr müsst doch zugeben, dass es ein Skandal ist! Die Akademie kommt nach Wien und die Dracas weigern sich, uns das zu unterrichten, was ihre Familie vor den anderen auszeichnet. Haben nicht alle anderen Clans die Erben bereitwillig in ihre magischen Geheimnisse eingeweiht?«
»Es widerspricht dir keiner«, pflichtete ihr Luciano bei. »Vielleicht kann Leo mal ein wenig Dampf bei seinem Baron und der reizbaren, äh, ich wollte sagen reizenden Baronesse Antonia machen?«
Der Dracas hob die Schultern. »Ich kann's versuchen. Ob es etwas bringt, bezweifle ich. Jedenfalls habe ich, um euch die Langeweile zu vertreiben, für morgen Abend Opernkarten besorgt.«
»Ich bin nicht nach Wien gekommen, um in die Oper zu gehen!«, ereiferte sich Alisa.
»Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, Karten zu besorgen, und uns in die Oper einlädst‹, wäre die korrekte Reaktion gewesen«, meinte Franz Leopold ungewöhnlich sanft. »Aber wenn ihr nicht wollt, müssen wir nicht hin. Das Kollegium der drei momentan benannten Direktoren hat ja lediglich Mozarts Don Giovanni‹ wieder auf den Spielplan genommen, mit dem das Haus vor elf Jahren eröffnet wurde. Ja, und die Wiener Philharmoniker, aus deren Mitte die Musiker stammen, sind auch nur ein Orchester von Menschenhand.«
Alisa starrte ihn an, dann lief sie auf ihn zu und legte ihre Hände auf die seinen.
»Entschuldige. Ja, ich freue mich auf die Oper und ich danke dir, dass du daran gedacht hast. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
»Ich weiß. Eine Vamalia kann eben auch nicht aus ihrer wissbegierigen Haut.«
Für einen Moment sahen sie einander nur an und vergaßen Luciano, Ivy und Seymour, bis sich der Nosferas räusperte.
»Äh, ich glaube, wir sollten uns zum Ballsaal aufmachen. Es ist Zeit und so wie ich die Tanzmeisterin einschätze, ist es keine gute Idee, zu spät zu kommen.«
Sie übten zunächst einige Figuren zum Kotillon, der in Gruppen getanzt wurde und immer den Höhepunkt eines Tanzabends bildete. Die Tanzmeisterin erklärte ihnen, dass die Herren den von ihnen erwählten Damen kleine Blumensträuße überreichten, ehe sie sie zum Tanz führten. Es war üblich, dass sich die Herren zu Beginn des Balls in die Tanzkarten der Damen eintrugen, die sie in den Saal führen wollten. Ein Ball bei Hof unterlag den strengen Vorschriften des spanischen Hofzeremoniells. Alles war minutiös geplant. Jeder Tanz musste dem Zeremonienmeister im Voraus in seiner exakten Länge bekannt sein. Den Kapellmeistern war jede Abweichung untersagt. Bei Hausbällen oder den Redouten, bei denen die Tänzer sich maskierten, waren die Regeln weniger streng.
Nach dem Kotillon sprach die Tanzmeisterin endlich das Zauberwort, auf das nicht nur Alisa sehnsuchtsvoll gewartet hatte.
»Kommen wir zum Walzer!«
Zuerst wurde ihr Mervyn als Partner zugeteilt. Er machte seine Sache gar nicht so schlecht, auch wenn er mit seinen Gedanken woanders zu sein schien. Die geistreiche Konversation, wie sie die Tanzmeisterin für unerlässlich hielt, ließ er jedenfalls ausfallen. Sein Blick irrte über ihre Schulter hinweg. Alisa verrenkte sich den Hals. Wem sah er da ständig hinterher? Alisas Blick fiel auf Marie Luise mit Raymond. Nein, das konnte nicht sein. Bei aller Schönheit konnte sich kein vernünftiger junger Vampir in diese Keifzange verlieben! Alisa war irritiert. Wieder versuchte sie seinem Blick zu folgen, der dieses Mal auf Rowena traf. Aha. Das war schon eher möglich - oder doch nicht? Ausgerechnet eine Vyrad? Wo doch die Engländer und die Iren einander fast so spinnefeind waren wie die Franzosen und die Deutschen? Anderseits trieb sich ihr Bruder bereits von Anfang an mit den Pyras herum und hatte sie zu seinen besten Freunden erkoren. Warum also nicht auch Mervyn und Rowena. Was aber würden ihre Familien davon halten?
Sie würden sich fügen müssen. Und überhaupt. War das nicht der eigentliche Hintergedanke bei der ganzen Akademiegeschichte? Zum ersten Mal kam ihr das so deutlich in den Sinn.
Natürlich wollten sie alle ihre eigenen Erben stärken. War aber nicht das größte Problem, dass die Linien zu lange unter sich geblieben waren und sie nun keinen Nachwuchs mehr zeugen konnten? Dekadent und degeneriert. Wie eifrig betonten alle, die Zukunft liege in ihren Erben. Nun erst wurde Alisa bewusst, was das eigentlich bedeutete. Sie, die Erben aller Clans, mussten für frisches Blut sorgen und für eine neue, starke Blutlinie. Der Gedanke schreckte und erregte sie gleichermaßen. Seit Langem dachte sie wieder einmal an ihre Mutter, die sie und Tammo geboren hatte. Wer ihr Vater war, wusste Alisa nicht. Ja nicht einmal, ob es ein- und derselbe Vampir war.
Vampire verhielten sich nicht wie Menschen, die Ehen eingingen und einander treu blieben - zumindest mehr oder weniger. Manche der anderen Erben wussten nicht einmal, wer ihre leibliche Mutter war. Sie nannten sich untereinander Cousin und Cousine, denn verwandt waren sie auf jeden Fall miteinander. Die jungen Vampire wurden vom Clan gemeinsam aufgezogen. Die Vater- oder Mutterstelle für ihre Erziehung nahm das Clanoberhaupt ein. Dame Elina hatte sich deutlich mehr um die jungen Vamalia gekümmert als die Vampirin, die sie geboren hatte, und Alisa hatte zu ihr eine engere Bindung. An ihre richtige Mutter dachte sie fast nie.
Die letzten Töne des Walzers verklangen. Mervyn ließ sie los, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich vor ihr. Partnerwechsel. Alisa schielte Mervyn nach, und richtig. Er stand so unvermittelt vor Rowena, dass kein anderer eine Chance hatte, diesen Tanz mit ihr zu ergattern. Alisa grinste. Also doch.
»Oh nein, muss das sein?« Eine wohlbekannte Stimme ließ sie herumfahren. Das Lachen verging ihr, als sie sah, wen die Meisterin auf sie zuschob.
Ausgerechnet mit ihrem Bruder Tammo musste sie üben. Der machte nicht nur ein Gesicht, als müsse er sich gleich übergeben, er trat ihr auch noch ständig auf die Füße.
»Tammo, du bist völlig aus dem Takt! Hörst du die Musik nicht?
Eins - zwei - drei, eins - zwei - drei. Und zieh nicht so an meinem Arm. Das ist kein Kampfsport!«
»Es ist schlimmer!«, gab ihr Bruder düster zurück.
»Mit dir auf alle Fälle«, giftete Alisa, die nur noch das Ende des Tanzes herbeisehnte. Endlich ließ Ludwig die Hände sinken. Mit einem Seufzer der Erleichterung befreite sich Alisa aus den Armen ihres Bruders.
»Das war bei manchen gar nicht so schlecht«, ließ sich die Tanzmeisterin zu einem Lob hinreißen. »Das üben wir gleich noch einmal. Ludwig, Musik. Darf ich bitten?«
Alisa und Tammo starrten einander entsetzt an. »Nicht noch einmal«, stöhnten sie beide.
Da schoss eine Gestalt heran und trat zwischen Tammo und Alisa. »Du entschuldigst doch?« Franz Leopold schaffte es, sich gleichzeitig elegant vor Alisa zu verbeugen und Tammo wegzuschubsen.
»He, was soll das?«
»Kleiner Partnertausch. Du hast doch sicher nichts dagegen, stattdessen mit deiner lieben Freundin Joanne zu tanzen?«
Tammo trollte sich. Während Franz Leopold Alisas Hand ergriff und den anderen Arm um sie legte, fragte sie sich, ob er es nur satt hatte, Joanne als Partnerin zu haben, oder ob er wirklich mit ihr tanzen wollte.
Wie unbedacht solche Gedanken in einem Augenblick sein mussten, da sie ihm so nahe war, merkte sie gleich.
»Was denkst du denn?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Alisa wandte verlegen den Kopf zur Seite. Es fühlte sich an, als stiege ihr Wärme in die Wangen. Konnte sie wie ein Menschenmädchen vor Scham erröten?
»Nein, alles ganz wunderbar. Deine Wangen sind zauberhaft blass wie immer.«
Ach, er weidete sich an ihrer Verlegenheit und nützte sie schamlos aus. Was sollte sie auch anderes von ihm erwarten? Alisa versuchte krampfhaft, an nichts Verfängliches mehr zu denken und sich auf die Musik zu konzentrieren. Sie ließ sich ganz auf den Walzer ein.
Was für ein Gefühl! Ein Rausch, ein Schwingen und Drehen. Sie konnte seine Hände spüren, seinen Arm um ihre Mitte, seinen Körper ganz nah an dem ihren. Sein Körper war in Spannung und gab ihr Halt, und dennoch war er auch weich, um sanft die Musik in Bewegung zu wandeln. Sie hätte nicht gedacht, dass Tanzen so schön sein konnte. Oder lag es nicht an dem Walzer allein?
Nein, dieser Gedanke ging schon wieder gefährliche Wege und sie wünschte ihn ganz sicher nicht mit Leo zu teilen.
Schließe einfach die Augen. Spüre deinen Körper und fühle die Musik. Dann lass sie eins werden miteinander.
Gehorsam schloss sie die Augen und wunderte sich über sich selbst, dass ihr Geist dieses Mal jede Widerborstigkeit unterließ und rein gar nichts einzuwenden hatte. Im Gleichklang ihrer Körper drehten sie eine weitere Runde. Da kam Alisa ein Zitat in den Sinn.
Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!
Franz Leopold entfuhr ein Lachen. »Alisa, du bist unverbesserlich. Wir tanzen Walzer und du zitierst Goethes ›Faust‹.«
Die Musik verklang. Franz Leopold drehte sie beim letzten Taktschlag unter dem Arm aus und verbeugte sich vor ihr, während Alisa mit einem Knicks in ihren Röcken versank. Als sie sich wieder aufrichtete, begegnete sie seinem Blick.
»Und? Wie fiel die Entscheidung aus?«
Alisa runzelte verwirrt die Stirn. »Welche Entscheidung?«
»Na, war es dir der Augenblick wert, deine Seele - wenn du denn eine hättest - dafür dem Teufel zu überlassen?« Sein Ton war so ernsthaft, dass Alisa schnell wegsah.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, antwortete sie scherzhaft. »Wer weiß? Vielleicht gibt es ja noch einen besseren Augenblick? Nein, der Teufel muss sich noch ein wenig gedulden.«
Franz Leopold hielt noch immer ihre Hand fest. Zum Glück beendete die Tanzmeisterin in diesem Moment die Stunde.
»Ich muss mich fürs Fechten umziehen«, murmelte sie und entriss ihm ihre Finger. Dann wandte sie sich abrupt um und lief aus dem Tanzsaal.
»Was ist denn in die gefahren?«, fragte Luciano, der mit Ivy am Arm herantrat.
»Nur eine unbedeutende Irritation zwischen Faust und Mephisto«, antwortete Franz Leopold und verließ mit einem rätselhaften Lächeln ebenfalls den Saal.
Luciano sah ihm verwundert nach. »Also manchmal kommt es mir vor, als würde er eine mir fremde Sprache sprechen - und ich meine nicht sein komisches Wienerisch!«
Ivy lächelte ein wenig melancholisch. Sie sah so aus, als wüsste sie mehr, doch wieder einmal war sie nicht bereit, ihre Gedanken preiszugeben.
© cbt
Die nächsten Nächte verliefen ähnlich wie die vorhergegangenen. Die Erben waren mindestens bis Mitternacht sich selbst überlassen. Dann folgten Tanzunterricht, Fechtstunden und endloser Unterricht in Wienerisch, denen nur die Dracas und die Vamalia fernbleiben durften. Luciano versuchte vergeblich, sich ebenfalls zu drücken. Schließlich hatte er sich im vorherigen Jahr von Alisa bereits leidlich Deutsch beibringen lassen und langweilte sich nun mit den Anfängerübungen. Doch der altehrwürdige Dracas blieb in diesem Fall hart.
Alisas anfängliche Empörung wandelte sich in heftige Wut. »Wann lernen wir endlich Gedanken zu lesen und unsere geistigen Kräfte einzusetzen?«
Keiner konnte oder wollte ihr eine Antwort geben. »Sicher bald«, sagte Franz Leopold lahm. »Wenn ihr die anderen wichtigen Lektionen beherrscht.«
»Ach, so wichtige Dinge wie den wienerischen Dialekt, jeden einzelnen in den vergangenen Jahrhunderten getanzten Menuettschritt und sämtliche Huten, die sich irgendwelche verrückten Fechtmeister im Mittelalter ausgedacht haben?«
»Fechten ist nicht schlecht«, warf Luciano ein. »Es kann durchaus nützlich sein.«
Alisa fuhr herum und herrschte ihn an. »Ja, fechten ist ganz wunderbar, aber was tust du mit deinem alten Schwert in der Hand, wenn der Feind deinen Geist angreift?«
Sie funkelte ihn so wild an, dass Luciano mit erhobenen Handflächen zurückwich. »Ist ja gut. Du musst mich nicht gleich auffressen.«
»Wenn du mich um einen Rat gebeten hättest, dann hätte ich dir gesagt, dass es lebensgefährlich ist, Alisa in solch einer Stimmung zu widersprechen«, meinte Franz Leopold liebenswürdig. »Pass auf, jetzt faucht sie gleich wie ein Panther.«
Alisa fixierte ihn mit zornig zusammengekniffenen Augen, doch dann übermannte sie plötzlich ein Lachen. »Ach, hört schon auf. Aber ihr müsst doch zugeben, dass es ein Skandal ist! Die Akademie kommt nach Wien und die Dracas weigern sich, uns das zu unterrichten, was ihre Familie vor den anderen auszeichnet. Haben nicht alle anderen Clans die Erben bereitwillig in ihre magischen Geheimnisse eingeweiht?«
»Es widerspricht dir keiner«, pflichtete ihr Luciano bei. »Vielleicht kann Leo mal ein wenig Dampf bei seinem Baron und der reizbaren, äh, ich wollte sagen reizenden Baronesse Antonia machen?«
Der Dracas hob die Schultern. »Ich kann's versuchen. Ob es etwas bringt, bezweifle ich. Jedenfalls habe ich, um euch die Langeweile zu vertreiben, für morgen Abend Opernkarten besorgt.«
»Ich bin nicht nach Wien gekommen, um in die Oper zu gehen!«, ereiferte sich Alisa.
»Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, Karten zu besorgen, und uns in die Oper einlädst‹, wäre die korrekte Reaktion gewesen«, meinte Franz Leopold ungewöhnlich sanft. »Aber wenn ihr nicht wollt, müssen wir nicht hin. Das Kollegium der drei momentan benannten Direktoren hat ja lediglich Mozarts Don Giovanni‹ wieder auf den Spielplan genommen, mit dem das Haus vor elf Jahren eröffnet wurde. Ja, und die Wiener Philharmoniker, aus deren Mitte die Musiker stammen, sind auch nur ein Orchester von Menschenhand.«
Alisa starrte ihn an, dann lief sie auf ihn zu und legte ihre Hände auf die seinen.
»Entschuldige. Ja, ich freue mich auf die Oper und ich danke dir, dass du daran gedacht hast. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
»Ich weiß. Eine Vamalia kann eben auch nicht aus ihrer wissbegierigen Haut.«
Für einen Moment sahen sie einander nur an und vergaßen Luciano, Ivy und Seymour, bis sich der Nosferas räusperte.
»Äh, ich glaube, wir sollten uns zum Ballsaal aufmachen. Es ist Zeit und so wie ich die Tanzmeisterin einschätze, ist es keine gute Idee, zu spät zu kommen.«
Sie übten zunächst einige Figuren zum Kotillon, der in Gruppen getanzt wurde und immer den Höhepunkt eines Tanzabends bildete. Die Tanzmeisterin erklärte ihnen, dass die Herren den von ihnen erwählten Damen kleine Blumensträuße überreichten, ehe sie sie zum Tanz führten. Es war üblich, dass sich die Herren zu Beginn des Balls in die Tanzkarten der Damen eintrugen, die sie in den Saal führen wollten. Ein Ball bei Hof unterlag den strengen Vorschriften des spanischen Hofzeremoniells. Alles war minutiös geplant. Jeder Tanz musste dem Zeremonienmeister im Voraus in seiner exakten Länge bekannt sein. Den Kapellmeistern war jede Abweichung untersagt. Bei Hausbällen oder den Redouten, bei denen die Tänzer sich maskierten, waren die Regeln weniger streng.
Nach dem Kotillon sprach die Tanzmeisterin endlich das Zauberwort, auf das nicht nur Alisa sehnsuchtsvoll gewartet hatte.
»Kommen wir zum Walzer!«
Zuerst wurde ihr Mervyn als Partner zugeteilt. Er machte seine Sache gar nicht so schlecht, auch wenn er mit seinen Gedanken woanders zu sein schien. Die geistreiche Konversation, wie sie die Tanzmeisterin für unerlässlich hielt, ließ er jedenfalls ausfallen. Sein Blick irrte über ihre Schulter hinweg. Alisa verrenkte sich den Hals. Wem sah er da ständig hinterher? Alisas Blick fiel auf Marie Luise mit Raymond. Nein, das konnte nicht sein. Bei aller Schönheit konnte sich kein vernünftiger junger Vampir in diese Keifzange verlieben! Alisa war irritiert. Wieder versuchte sie seinem Blick zu folgen, der dieses Mal auf Rowena traf. Aha. Das war schon eher möglich - oder doch nicht? Ausgerechnet eine Vyrad? Wo doch die Engländer und die Iren einander fast so spinnefeind waren wie die Franzosen und die Deutschen? Anderseits trieb sich ihr Bruder bereits von Anfang an mit den Pyras herum und hatte sie zu seinen besten Freunden erkoren. Warum also nicht auch Mervyn und Rowena. Was aber würden ihre Familien davon halten?
Sie würden sich fügen müssen. Und überhaupt. War das nicht der eigentliche Hintergedanke bei der ganzen Akademiegeschichte? Zum ersten Mal kam ihr das so deutlich in den Sinn.
Natürlich wollten sie alle ihre eigenen Erben stärken. War aber nicht das größte Problem, dass die Linien zu lange unter sich geblieben waren und sie nun keinen Nachwuchs mehr zeugen konnten? Dekadent und degeneriert. Wie eifrig betonten alle, die Zukunft liege in ihren Erben. Nun erst wurde Alisa bewusst, was das eigentlich bedeutete. Sie, die Erben aller Clans, mussten für frisches Blut sorgen und für eine neue, starke Blutlinie. Der Gedanke schreckte und erregte sie gleichermaßen. Seit Langem dachte sie wieder einmal an ihre Mutter, die sie und Tammo geboren hatte. Wer ihr Vater war, wusste Alisa nicht. Ja nicht einmal, ob es ein- und derselbe Vampir war.
Vampire verhielten sich nicht wie Menschen, die Ehen eingingen und einander treu blieben - zumindest mehr oder weniger. Manche der anderen Erben wussten nicht einmal, wer ihre leibliche Mutter war. Sie nannten sich untereinander Cousin und Cousine, denn verwandt waren sie auf jeden Fall miteinander. Die jungen Vampire wurden vom Clan gemeinsam aufgezogen. Die Vater- oder Mutterstelle für ihre Erziehung nahm das Clanoberhaupt ein. Dame Elina hatte sich deutlich mehr um die jungen Vamalia gekümmert als die Vampirin, die sie geboren hatte, und Alisa hatte zu ihr eine engere Bindung. An ihre richtige Mutter dachte sie fast nie.
Die letzten Töne des Walzers verklangen. Mervyn ließ sie los, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich vor ihr. Partnerwechsel. Alisa schielte Mervyn nach, und richtig. Er stand so unvermittelt vor Rowena, dass kein anderer eine Chance hatte, diesen Tanz mit ihr zu ergattern. Alisa grinste. Also doch.
»Oh nein, muss das sein?« Eine wohlbekannte Stimme ließ sie herumfahren. Das Lachen verging ihr, als sie sah, wen die Meisterin auf sie zuschob.
Ausgerechnet mit ihrem Bruder Tammo musste sie üben. Der machte nicht nur ein Gesicht, als müsse er sich gleich übergeben, er trat ihr auch noch ständig auf die Füße.
»Tammo, du bist völlig aus dem Takt! Hörst du die Musik nicht?
Eins - zwei - drei, eins - zwei - drei. Und zieh nicht so an meinem Arm. Das ist kein Kampfsport!«
»Es ist schlimmer!«, gab ihr Bruder düster zurück.
»Mit dir auf alle Fälle«, giftete Alisa, die nur noch das Ende des Tanzes herbeisehnte. Endlich ließ Ludwig die Hände sinken. Mit einem Seufzer der Erleichterung befreite sich Alisa aus den Armen ihres Bruders.
»Das war bei manchen gar nicht so schlecht«, ließ sich die Tanzmeisterin zu einem Lob hinreißen. »Das üben wir gleich noch einmal. Ludwig, Musik. Darf ich bitten?«
Alisa und Tammo starrten einander entsetzt an. »Nicht noch einmal«, stöhnten sie beide.
Da schoss eine Gestalt heran und trat zwischen Tammo und Alisa. »Du entschuldigst doch?« Franz Leopold schaffte es, sich gleichzeitig elegant vor Alisa zu verbeugen und Tammo wegzuschubsen.
»He, was soll das?«
»Kleiner Partnertausch. Du hast doch sicher nichts dagegen, stattdessen mit deiner lieben Freundin Joanne zu tanzen?«
Tammo trollte sich. Während Franz Leopold Alisas Hand ergriff und den anderen Arm um sie legte, fragte sie sich, ob er es nur satt hatte, Joanne als Partnerin zu haben, oder ob er wirklich mit ihr tanzen wollte.
Wie unbedacht solche Gedanken in einem Augenblick sein mussten, da sie ihm so nahe war, merkte sie gleich.
»Was denkst du denn?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Alisa wandte verlegen den Kopf zur Seite. Es fühlte sich an, als stiege ihr Wärme in die Wangen. Konnte sie wie ein Menschenmädchen vor Scham erröten?
»Nein, alles ganz wunderbar. Deine Wangen sind zauberhaft blass wie immer.«
Ach, er weidete sich an ihrer Verlegenheit und nützte sie schamlos aus. Was sollte sie auch anderes von ihm erwarten? Alisa versuchte krampfhaft, an nichts Verfängliches mehr zu denken und sich auf die Musik zu konzentrieren. Sie ließ sich ganz auf den Walzer ein.
Was für ein Gefühl! Ein Rausch, ein Schwingen und Drehen. Sie konnte seine Hände spüren, seinen Arm um ihre Mitte, seinen Körper ganz nah an dem ihren. Sein Körper war in Spannung und gab ihr Halt, und dennoch war er auch weich, um sanft die Musik in Bewegung zu wandeln. Sie hätte nicht gedacht, dass Tanzen so schön sein konnte. Oder lag es nicht an dem Walzer allein?
Nein, dieser Gedanke ging schon wieder gefährliche Wege und sie wünschte ihn ganz sicher nicht mit Leo zu teilen.
Schließe einfach die Augen. Spüre deinen Körper und fühle die Musik. Dann lass sie eins werden miteinander.
Gehorsam schloss sie die Augen und wunderte sich über sich selbst, dass ihr Geist dieses Mal jede Widerborstigkeit unterließ und rein gar nichts einzuwenden hatte. Im Gleichklang ihrer Körper drehten sie eine weitere Runde. Da kam Alisa ein Zitat in den Sinn.
Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!
Franz Leopold entfuhr ein Lachen. »Alisa, du bist unverbesserlich. Wir tanzen Walzer und du zitierst Goethes ›Faust‹.«
Die Musik verklang. Franz Leopold drehte sie beim letzten Taktschlag unter dem Arm aus und verbeugte sich vor ihr, während Alisa mit einem Knicks in ihren Röcken versank. Als sie sich wieder aufrichtete, begegnete sie seinem Blick.
»Und? Wie fiel die Entscheidung aus?«
Alisa runzelte verwirrt die Stirn. »Welche Entscheidung?«
»Na, war es dir der Augenblick wert, deine Seele - wenn du denn eine hättest - dafür dem Teufel zu überlassen?« Sein Ton war so ernsthaft, dass Alisa schnell wegsah.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, antwortete sie scherzhaft. »Wer weiß? Vielleicht gibt es ja noch einen besseren Augenblick? Nein, der Teufel muss sich noch ein wenig gedulden.«
Franz Leopold hielt noch immer ihre Hand fest. Zum Glück beendete die Tanzmeisterin in diesem Moment die Stunde.
»Ich muss mich fürs Fechten umziehen«, murmelte sie und entriss ihm ihre Finger. Dann wandte sie sich abrupt um und lief aus dem Tanzsaal.
»Was ist denn in die gefahren?«, fragte Luciano, der mit Ivy am Arm herantrat.
»Nur eine unbedeutende Irritation zwischen Faust und Mephisto«, antwortete Franz Leopold und verließ mit einem rätselhaften Lächeln ebenfalls den Saal.
Luciano sah ihm verwundert nach. »Also manchmal kommt es mir vor, als würde er eine mir fremde Sprache sprechen - und ich meine nicht sein komisches Wienerisch!«
Ivy lächelte ein wenig melancholisch. Sie sah so aus, als wüsste sie mehr, doch wieder einmal war sie nicht bereit, ihre Gedanken preiszugeben.
© cbt
... weniger
Autoren-Porträt von Ulrike Schweikert
Ulrike Schweikert, Jahrgang 1966, beherrscht sowohl das historische als auch das fantastische Genre meisterhaft. Ihre historischen Romane für Erwachsene sind Bestseller und ihr "Drachenkrone"-Zyklus ist ein Fantasy-Muss. "Die Erben der Nacht", ihre erste Fantasy-Saga für Jugendliche, wurde auf Anhieb ein großer Erfolg.
Produktdetails
- Autor: Ulrike Schweikert
- Altersempfehlung: Ab 12 Jahre
- 2010, Originalausgabe, 510 Seiten, Maße: 13,5 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570306569
- ISBN-13: 9783570306567
- Erscheinungsdatum: 09.09.2010
Rezension zu „Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4 “
"Die Erben der Nacht verbinden nicht nur Spannung und Freundschaft miteinander, sondern bringen auch jede Menge Geschichte und Kultur mit hinein. Und das alles andere als trocken!"
Pressezitat
"Kaufen, mit Begeisterung lesen und dem Erscheinungstermin des nächsten Bandes entgegenfiebern!" amazon.de
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Dracas / Die Erben der Nacht Bd.4".
Kommentar verfassen